Fastnachtszug 1958

Die Wellen der Kyll und der Stimmung schlugen hoch

Kyllburger Hahnen bekamen Konkurrenz — Untertassen, Raketen, Bundeswehr und Hering

KYLLBURG. Hoch gingen die Wellen der Kyll, hoch die Wogen der Stimmung und hoch die Raketen beim Fastnachtszug 1958 In Kyllburg. Petrus hatte sich im Kalender geirrt: Er legte die Sonne auf Samstag und den Regen auf Sonntag. Als er sein Versehen bemerkte, gelang es ihm nicht mehr rechtzeitig, den Hahn abzudrehen; es tropfte noch. Daß es zuvor aber so kräftig geregnet hatte, hielt so manchen neugierigen Narren zu Hause. Trotzdem ergötzten sich außer den Kyllburgern auch viele Fremden an dem, was geboten wurde. Beträchtlich unter ihnen die Zahl der Amerikaner, die dies närrisch-fremde Treiben mit lachenden Augen verfolgten und eifrig knipsten für die daheim. Und es lohnte sich wahrhaftig!

 

Wer im Vorjahr bereits dabei gewesen war, „fiel aus allen Wolken“. Schon erstaunlich, was man 1957 In wenigen Tagen aus dem Nichts hervorzauberte; was aber diesmal zustande kam, mit etwas mehr Zeit, mit etwas mehr Geld und mit der gleichen Liebe und Begeisterung wie damals, das hätte wahrlich das Samstagwetter verdient gehabt! Aber auch so kamen die hübschen Einfälle und die treffende Ausführung beim Publikum an.

 

Voran die Reitergruppe des Freiherrn von Schawen, dann der Husaren-Fanfarenzug und mit diesem Musik und Stimmung, die bei dem großen Wagen von Kyllburgweiler gleich tonangebend waren. In die ersten Lacher hinein die fliegende Untertasse, lustiges Verbindungsglied zum Weltraumschiff, Rakete Kyllburg, Sputnik II, letzter Versuch. Versuch gelungen! Die Wirkung dieser neuen Himmelsfahrer, technisch vermummter Gestalten, ähnlich der Wirkung jener Wesen aus der guten alten Zeit des Aberglaubens und des Märchenhaften: der Eifeler Hexen. Die Funkengarde, eine kleine „Sammlung“ hübscher Madchen, setzte den Zug fort, marschiert vor den Wagen des Präsidenten und seines Elferrates. Kyllburgs Badeanstalt wird heftig karikiert. Eine hochmoderne Artillerie der Bundeswehr spricht vom Frieden auf Erden; ein überdimensionaler Hahn kräht belustigt. Auf dem Marktplatz schaut sein echter Kyllburger Kollege verwundert auf dieses große Faschingsdouble, das sich da recht eigenartig aufführe. Im Kneippbad kneippt und tortiert man arme Kurgäste nach Strich und Faden. (Daß der Mime auf der Rückfahrt noch lebendig war, ist eines der Wunder des Faschings in Kyllburg!) Die Bimmelbahn keucht und stinkt weidlich einher. Aus einem Hexenhaus drohen unheimliche Wesen aus Sage und Märchen — und Aschermittwoch winkt trübe mit Kater und einem Ungeheuer von einem Ungeheuer von einem Hering: Wie bald ist alles vorbei…

 

Die Fußgruppen seien nicht vergessen! Sie kommen auf geradem Wege aus dem Volke, sind Früchte einer guten Idee und origineller Aufmachung. Da sind Geistergruppen, wie sie in den Burgruinen der Eifel ihr Unwesen treiben mögen; da sind Eifelhexen reinen Geblüts, Marktweiber, Badenixen, Kurgäste von dieser und jener Art. Aus der Fülle ragt die Sackmode hervor, jener Dernier cri, der nicht die Liebe aller gefunden hat, nicht mal die der Frauen. Und den Verkehr regelt Hanswurst; freigebig verteilt er Strafmandate, die aber diesmal nichts kosten — nur diesmal! Oben am Himmel zerknallen die Raketen, die man aus dem Zug hochjagt, und was aus den Wolken an Feuchtigkeit kommt, kann das fröhliche „Helau!“ nicht ersäufen! Dafür Ist der Karnevalszug 1958 zu gut und zu originell. Bravo, Kyllburg!

 

Trierischer Volksfreund, 1958

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